Brüder Grimm

Die Brüder Grimm gelten als Gründungsväter der Germanistik und gehören zu den bedeutendsten Geistespersönlichkeiten der deutschen und europäischen Kulturgeschichte. Die Kasseler Handexemplare der „Kinder- und Hausmärchen” von Jacob und Wilhelm Grimm wurden im Jahre 2005 von der UNESCO zum Weltdokumentenerbe erklärt.

Sie wohnten und arbeiteten zeitlebens zusammen und widmeten sich ihrer Arbeit mit einem enorm großen Eifer. Eine Ausrede fürs Nichtstun gab es für sie nie; egal ob Blattern, Scharlach, Asthma, Brustschmerzen, Depressionen oder Schlaganfälle. Nichts konnte sie von ihrer Arbeit abhalten und jeden mühevoll erworbenen Taler investierten die Grimms in Bücher.

„Dürftigkeit spornt zu Fleiß und Arbeit an, bewahrt vor mancher Zerstreuung.“

Schrieb Jacob Grimm. Spaziergänge waren für ihn überbewertet. Er ging lieber in der Literatur spazieren.

1851 schrieb Jacob Grimm in seiner Akademie-Schrift „Über den Ursprung der Sprache“:

„Die Kraft der Sprache bildet Völker und hält sie zusammen, ohne ein solches Band würden sie sich versprengen.“

So hatte die Sprache für sie auch immer eine Geschichte: sie war weder angeboren noch von Gott eingegeben, sondern das Werk des Menschen und seines Denkens.

Weltruhm erlangten die Brüder Grimm auch mit ihren Kinder- und Hausmärchen, die sie im typisch romantischen Stil schrieben. Diese wurden in über 160 Sprachen und Kulturdialekte übersetzt und sind das weltweit meistgelesene und meistverbreitete Buch der deutschen Kulturgeschichte. Das Ziel war es nicht nur zu unterhalten, sondern auch altes Volksgut zu bewahren und vor allem durch die Vermittlung von moralischen Wertvorstellungen eine lehrreiche Wirkung auf Kinder und Erwachsende auszuüben. So nannten sie ihre Märchensammlung ein „Erziehungsbuch“. Dafür entfernten die beiden streng gläubigen Calvinisten* erotische und politische Anspielungen und schrieben die Märchen so um, dass sie sittsam waren und ihre pädagogischen Ziele gewahrt wurden.

In den Märchen lässt sich gleich zu Beginn Gut und Böse klar erkennen und am Ende, nachdem die Figuren zahlreiche Prüfungen bestehen mussten, gewinnt immer das Gute. So gibt es eine ausgleichende Gerechtigkeit in den Geschichten.

Jacob und Wilhelm Grimm schrieben 1812: „Kindermärchen werden erzählt, damit in ihren reinen und milden Lichte die ersten Gedanken und Kräfte des Herzens aufwachen und wachsen; weil aber einen jeden ihre einfache Poesie erfreuen und ihre Wahrheit belehren kann, und weil sie beim Haus bleiben und sich forterben sollen, werden sie auch Hausmärchen genannt.“

Eines der wohl bekanntesten Märchen ist „Frau Holle“. Hier werden zwei Schwestern, die eine schön und fleißig und die andere hässlich und faul, beschrieben. Beide werden auf Fleiß und Reinheit des Herzens getestet und am Ende der Geschichte werden die Belohnungen verteilt. Die Schöne und fleißige, die jede ihr zugetragene Arbeit ganz selbstverständlich ausführt und immer freundlich ist, erhält das Gold. Ihre Schwester aber, hässlich und faul, ist das genaue Gegenteil. Sie will das Gold ohne eine Leistung dafür zu erbringen. Doch ohne Fleiß kein Preis und so wird sie mit Pech übergossen.

Von dieser Geschichte lassen sich gleich mehrere Werte und Lebensweisheiten herleiten. Zum einen den Grundsatz, dass Gutes mit Gutem und Schlechtes mit Schlechtem vergolten wird. Zum anderen, dass es keine Abkürzungen im Leben gibt. Oder aber auch, dass der Weg das Ziel sein kann.

Geschichten zu erzählen ist eine Tradition, so alt wie der Mensch selbst und geht über Kulturkreise und Ländergrenzen hinaus. Ernstes wird mit Leichtigkeit und Humor vermittelt und so können sie unser Leben bereichern und uns in unserer Entwicklung weiterbringen.

Jorge Bucay bringt es mit wenigen Worten auf den Punkt:

„Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen – Erwachsenen, damit sie aufwachen.“

 

*Der Calvinismus ist eine christliche Weltanschauung. Betont wird die unbedingte Heiligkeit Gottes und das jeder Mensch im Sinne einer tugendhaften Lebensführung handeln müsse.