Im Nebel des Jahreswechsels
Beiträge . Unterm HimmelszeltDer Wetterbericht versprach Sonnenschein – eine willkommene Gelegenheit für eine letzte Wanderung im alten Jahr. Doch statt der erhofften Strahlen empfing mich eine dichte, alles verschluckende Nebelwand. Der Kontrast zu meinem warmen Kakao, der Keksdose und der gemütlichen Couch hätte kaum größer sein können.
Der Nebel ließ den Wald wie eine andere Welt erscheinen. Meine Schritte auf dem gefrorenen, glatten Boden wurden vorsichtiger, meine Gedanken klarer. Während ich mich vorantastete, kamen mir Erinnerungen und Fragen aus dem Jahr 2024 in den Sinn. Was habe ich erreicht? Welche Entscheidungen habe ich getroffen und wohin führten sie mich? Was möchte ich im nächsten Jahr besser machen? Der Nebel wurde zum Sinnbild: Entscheidungen zu treffen, ohne die Folgen zu kennen – Glatteis oder sicherer Pfad?
Mein Weg durch das dichte Grau hatte etwas Lehrreiches. Man sieht nicht weit, aber mit jedem Schritt klärt sich der Weg ein Stück. Vielleicht liegt darin eine Botschaft für den Jahreswechsel: Nicht jede Antwort muss sofort gefunden und nicht jeder Berg mit einmal erklommen werden.
Für mich bedeutet das, zwischendurch innezuhalten und nachzudenken – statt nur von einer Aufgabe zur nächsten zu hetzen. So möchte ich mir im neuen Jahr bewusste Pausen gönnen. Henry David Thoreau schreibt in Walden: „Der Teufel findet auch für den Müßigen Beschäftigung.“ Für mich ist das eine Erinnerung daran, dass Ruhe nicht Stillstand bedeutet, sondern eine Chance, mit mehr Gelassenheit und Geduld weiterzugehen. Ich möchte mir mehr Zeit nehmen – für mich, für andere und für die Dinge, die wirklich wichtig sind.
Der Leitsatz der Erneuerung
Dieser Gedanke erinnert mich an eine alte chinesische Weisheit. Auf der Badewanne von Ching Tang, dem Begründer der Shang-Dynastie (16.–11. Jahrhundert v. Chr.), soll eingraviert gewesen sein: „Erneuere dich jeden Tag ganz und gar. Tu es wieder und wieder und immer wieder.“
Dieser Satz, später von Konfuzius aufgegriffen, wurde zu einem zentralen Leitsatz seiner Philosophie. Er steht für den unermüdlichen Prozess der Selbstverbesserung und Selbsterneuerung – Prinzipien, die nicht nur den Einzelnen betreffen, sondern auch die Gemeinschaft, in der er lebt.
Warum war dieser Gedanke für Konfuzius so bedeutend? Er passte perfekt zu seinen zentralen Lehren. Für ihn begann alles mit der Selbstkultivierung, der Entwicklung einer edlen Persönlichkeit, die durch Tugend und Charakter überzeugt. Eng damit verbunden war das lebenslange Lernen – das unermüdliche Streben nach Wissen und Weisheit, um sich stetig zu verbessern. Schließlich betonte Konfuzius die moralische Verantwortung, die darin besteht, nicht nur die eigenen Tugenden zu stärken, sondern auch einen positiven Einfluss auf die Gemeinschaft auszuüben.
Konfuzius lehrte, dass der Wandel in der Gesellschaft mit dem Einzelnen beginnt. Sein Rat an Herrscher, „Kultiviere dich selbst gut, harmonisiere die Familie, und dann kannst du ein Land regieren“, verdeutlicht diese Idee.
Ein Jahr der kleinen Schritte
Die mystische Wanderung im Nebel hat mir gezeigt, dass es nicht immer darauf ankommt, den gesamten Weg zu kennen. Oft genügt es, den nächsten Schritt zu machen und aufmerksam zu bleiben, um die Richtung zu prüfen. Für das neue Jahr nehme ich genau das mit: Schritte bewusst setzen, nicht alles auf einmal lösen zu wollen und mit Geduld voranzugehen. Denn am Ende entsteht Klarheit nicht durch Eile, sondern durch bewusstes Handeln im richtigen Moment.