Elisabeth von Thüringen: „Man muss die Menschen nur froh machen!“

Elisabeth stieg mit Jutta und Isentrud nach Eisenach hinab. Sie trug einen Korb voller Brot, Jutta und Isentrud Wein und Fleisch. Alle drei verdeckten die Körbe mit ihren weiten Mänteln, damit niemand von der Burg sich ärgern sollte. Wie sie am Ende des Weges bei einer Biegung angelangt waren, rief Isentrud erschrocken: „Kommt dort nicht der Landgraf?“ Ludwig ritt heran. Er wunderte sich, dass Elisabeth ihn nicht wie sonst entgegenlief und ihm die Arme ausbreitete. Als er näher kam, merkte er, dass sie etwas unter ihrem Mantel trug. Er sprang vom Pferd und Schritt auf Elisabeth zu. Sie blieb stehen, blickte ihn mit strahlenden Augen an. „Was trägst du da unter deinem Mantel, Elisabeth?“, fragte Ludwig streng. „Sieh es selbst“, sagte Elisabeth und schlug den Mantel zurück. „Rosen?… Um diese Jahreszeit Rosen?“, rief Ludwig aus. „Nein, Brot“, sagte Elisabeth und sah in den Korb, aber da leuchteten ihr weiße und rote Rosen entgegen. Sie erschrak so sehr, dass ihre Knie zu zittern begannen. Ludwig aber kniete nieder und küsste den Saum ihres Gewandes. „Gott will mir zeigen, was du wirklich schenkst“, sagte er. „Wahrlich, mehr als Brot. Zieh in Gottes Namen deinen Weg!“ So ließ er Elisabeth an sich vorübergehen und verneigte sich tief vor ihr. „Was ist geschehen?“, fragten Jutta und Isentrud, die das Wunder nicht gesehen hatten. „Gott ist für mich eingetreten“, sagte Elisabeth. „Seine Liebe ist ohne Grenzen.“ Ludwig ritt bergan und dachte: „Sie ist eine Heilige“. Und nun will auch ich heilig werden. Fortan unterstützte er Elisabeths Engagement. Das ist die Legende vom Rosenwunder.

Rosenwunder

Von Königstochter zur Landgräfin

Landgräfin Elisabeth von Thüringen kam 1207 in Sárospatak zur Welt. Ihr Vater, Andreas II., war König von Ungarn und ihre Mutter Gertrud stammte aus dem Geschlecht der Andechs aus Bayern. Umsorgt als Königstochter, verbrachte Elisabeth nur ihre ersten vier Lebensjahre in Ungarn. Um 1211 wurde sie mit dem Erben der Landgrafschaft Thüringen verlobt und mit reicher Mitgift ausgestattet in das Thüringer Land gebracht. Auf der Wartburg lernte das fröhliche und temperamentvolle Mädchen den Glanz und den Reichtum, aber auch die Intrigen und die Sinnlichkeit der höfischen Gesellschaft kennen. Dieser Lebensstil, den auch Zeitgenosse Walther von der Vogelweide kritisierte, entsprach nicht Elisabeths Vorstellung eines verantwortungsbewussten und gottgefälligen Lebens. Dabei trat sie jedoch nicht als moralische Anklägerin auf, sondern eher als Vorbild.

So nahm sie beim Eintritt in das Gotteshaus die Krone von ihrem Kopf und setzte sie erst nach dem Verlassen der Kirche wieder auf. Ihre Pflegemutter reagierte entsetzt und fragte: „Jungfrau Elisabeth, wollt ihr bei uns neue Sitten einführen, damit uns die Leute auslachen?“ Ruhig erwiderte Elisabeth: „Fern sei mir, im Angesicht meines Gottes und Königs Jesus Christus, den ich mit Dornen gekrönt erblicke, selbst ein geringes und aus Erde gebildetes Geschöpf, mit eitler Überheblichkeit gekrönt zu erscheinen.“

Eine glückliche, aber kurze Ehe

Als Elisabeth dreizehn Jahre alt war, wurde die Ehe mit dem zwanzigjährigen Ludwig geschlossen. Das junge Paar war glücklich, ihr Verhältnis zueinander persönlicher und inniger als an den Höfen dieser Zeit üblich. Elisabeth nahm entgegen der Gewohnheit ihre Mahlzeiten an der Seite ihres Mannes ein, begleitete ihn auf Reisen und zeigte öffentlich ihre Zuneigung.

Im Hochmittelalter entstand der Brauch, dass Fürsten und Fürstinnen außerhalb des Gottesdienstes die Fußwaschung an Armen vornehmen. Zudem war Elisabeth aus höfischer Sicht zur Freigebigkeit verpflichtet. Ihr persönlicher Einsatz ging jedoch über das übliche Maß hinaus. Sie wusch sogar die Füße von Aussätzigen, kümmerte sich um Kranke und Wöchnerinnen, wusch Verstorbene, nähte Totenhemden und versorgte die Bedürftigen mit Kleidung und Nahrung. Als sie im Hungerwinter 1225/1226 die landgräflichen Kornkammern für die Armen öffnen ließ, musste sich Ludwig mit seiner ganzen Autorität hinter sie stellen. Denn die Hofgesellschaft reagierte mit Unverständnis bis zu Feindseligkeit auf Elisabeths Weitherzigkeit.

Eines Tages, als Elisabeth und Ludwig zusammen auf einer Bank im Rosengarten saßen, fragte sie: „Ist es wahr, dass Jesus Christus uns Menschen brauchen will, um die Erde wieder gut und froh zu machen?“ „Ja“, sagte Ludwig. „Er gibt uns Männern das Schwert, damit wir das Gute auf Erden verteidigen und das böse zunichtemachen.“ „Und uns Frauen schenkte er wohl die Hand, damit wir den Traurigen die Tränen aus den Augen wischen, den Armen schöne Gaben geben und den Einsamen über die Backe streicheln dürfen.“ „Ja, dazu braucht er deine Hand“, sagte Ludwig. Und er nahm Elisabeths Hand in die seine. „Er verlässt sich auf deine Hand!“ Da lehnte Elisabeth ihren Kopf an Ludwig Schulter und sagte: „Und, er verlässt sich auch auf dein Schwert.“

Der Elisabeth Brunnen am Marktplatz von Pottenstein

Tod Ludwigs und Elisabeths Vertreibung

Und bald schon kam der Tag. Im Jahr 1227 nahm Ludwig sein Schwert und zog mit dem Stauferkaiser Friedrich II. auf seinen fünften Kreuzzug ins Heilige Land. Doch noch bevor er ankam, suchte eine Seuche seine Opfer unter dem Kreuzzug und Ludwig war einer von vielen, der ihr erlag. Elisabeth erwartete damals ihr drittes Kind. Tief traurig rief sie: „Mit ihm ist mir die Welt gestorben.“

Eigentlich sollte der fünfjährige Hermann, Ludwig und Elisabeths Erstgeborener in ein paar Jahren die Regentschaft übernehmen und Ludwigs Bruder, Heinrich Raspe, bis dahin als Vormund dienen. Doch Heinrich ergriff die Regierung in Thüringen und vertrieb Elisabeth mit ihren drei Kindern von der Wartburg. Dieses Urteil begründete er mit dem Vorwurf, sie verschwende Gelder für Almosen. In Eisenach war der Einfluss von Heinrich und die Angst vor ihm groß und so fanden Elisabeth und ihre Kinder keine Bleibe. Einwohner, die sie zuvor als reiche Landgräfin mit Geld und Korn unterstützte, verschlossen nun ihre Türe vor ihr. So blieb zunächst nur ein Schweinestall als Behausung.

Schließlich fand sie bei ihrem Onkel mütterlicherseits, dem Bischof Ekbert von Bamberg, vorübergehend ein Heim. Doch er wollte sie wieder vermählen, aber Heirat kam Elisabeth einer Gefangenschaft gleich und so weigerte sie sich. Bischof Ekbert beendete den Streit damit, dass er Elisabeth in eine seiner bischöflichen Burgen abschob, auf Burg Pottenstein, etwa 40 Kilometer von Bamberg entfernt. Elisabeth war bewusst, dass sie hier festgehalten werden solle, bis sie verheiratet würde. Sie wandte sich an Gott und legte erneut ihr Leben in seine schützenden Hände. Überraschend kam nach kurzer Zeit ein Bote von Bischof Ekbert und forderte Elisabeth auf, nach Bamberg zurückzukehren. Kreuzfahrer kämen aus dem Heiligen Land zurück und brächten die Gebeine Ludwigs mit; sie würden bald in Bamberg erwartet. Somit endete für Elisabeth die Zeit in Franken. Denn die Bestattung Ludwigs fand in Reinhardsbrunn, der Grablege der Ludowinger, statt.

Burg Pottenstein

Elisabeth und Franz von Assisi

Auf Betreiben von Papst Gregor IX. sollte Heinrich Raspe das Witwengut an Elisabeth herausgegeben. Legendär ist, dass Gregor auf Franziskus‘ ausdrücklichen Wunsch ihm den Mantel von den Schultern nahm und Elisabeth zusandte.

Denn als im Jahre 1219 Franz von Assisi die ersten Brüder nach Deutschland sandte, gelang die Kunde von Elisabeths Taten schnell nach Italien. Beeindruckt von den Mühen der Fürstin, schenkte also Franz von Assisi ihr seinen Mantel, den sie fortan getragen habe. Eine graue Kutte mit einem weißen Strick.

Im Chor der Basilika von Assisi ist Elisabeth, Königstochter und Gemahlin eines reichen Landgrafen neben dem Gründer des Ordens Franziskus und Klara, der Gründerin des weiblichen Ordenszweiges, dargestellt.

Visionen

Elisabeth war mit der Fähigkeit der Vision beschenkt. Einmal wurde sie von ihrer Dienerin gefragt, was sie gesehen habe. Nach langem Zögern schilderte sie: „Ich sehe den Himmel offen und ihn, meinen lieben Herrn Jesus, wie er sich mir zuneigt und Trost spendet in den verschiedenen Ängsten. Solange ich ihn sah, war ich froh und lachte, wenn er aber sein Antlitz abwandte, als ob er gehen wollte, weinte ich.“

Ein großes Freudenfest

Eines Tages bekam Elisabeth von ihrem Schwager Heinrich eine größere Summe ausbezahlt. Daraufhin sandte sie Boten in die vier Himmelsrichtungen und ließ alle Armen, Kranken und Krüppel durch Trompeten und Hörner für den nächsten Tag auf eine große Wiese zusammen rufen. Warum sollten die Armen und Elenden nicht auch einmal ein Fest feiern? Ja, Freude sollte auf Erden sein! Mehrere Tausend kamen herbei. Heiter schritt Elisabeth zwischen ihnen umher und teilte das Geld aus.

Als die Nacht hereinbrach, war das Geld fast ausgegeben. Die Gesunden machten sich auf den Heimweg, kranke und schwache Menschen aber blieben zurück. Doch so wollte Elisabeth das Fest nicht enden lassen. Also wurden Holz und Stroh zusammen getragen und ein großes Freudenfeuer entzündet. Da wurden die Menschen so froh, dass sie auf einmal laut anfingen zu singen, lauter und immer lauter in die Nacht hinein. Vor Entzückung rief Elisabeth aus: „Ich habe es euch ja gesagt, man muss die Menschen nur froh machen!“

Ein neues Leben in Marburg

In Marburg gründete Elisabeth im Jahr 1228 ein Hospital und begann ein neues Leben. Zum Patron wählte sie Franz von Assisi. In völliger Selbstaufgabe widmete sie sich der Pflege von Kranken und anderen Werken der Nächstenliebe. Nur drei Jahre später erkrankt Elisabeth und stirbt am 17. November 1231. Vier Jahre später sprach Papst Gregor IX. sie als „Mutter der Armen“ heilig, weil sie die Welt mit „Christi Augen“ gesehen habe. Elisabeths außergewöhnliches Leben dauerte nur 24 Jahre, doch ihr Einfluss und ihre Faszination sind heute noch präsent. Im deutschsprachigen Raum zählt sie zu den beliebtesten Heiligen und Namensvetterinnen, Dutzende Kirchen und karitative Vereine sind nach ihr benannt.

Markus Lüpertz gestaltete die Glasfenster in der Bamberger Kirche St. Elisabeth. Neben vielen Stationen aus dem Leben der Heiligen ist auch die Legende vom Rosenwunder dargestellt. (Siehe Foto)

Einmal im Jahr steht die kleine Kirche in Bambergs engen Gassen im Mittelpunkt eines beliebten Volksfestes – der Sandkerwa. Über 200.000 Besucher tummeln sich in der Altstadt und feiern von Donnerstag bis Montag die Weihe der Elisabethkirche. Das Titelfoto zeigt den Altar der Kirche.

Auf meinem Gan Jing World-Kanal: https://ganjing.one/BettinasJungbrunnen findet ihr ein kurzes Video mit den verschiedenen Stationen der Elisabeth von Thüringen: “Auf den Spuren der heiligen Elisabeth”.